Wer erwartet, der wartet…

Manchmal sogar vergeblich! Kaum etwas macht so unglücklich, wie nicht erfüllte Erwartungen. Ob es der Urlaub ist, der ins (Regen-)Wasser fällt (weil Sonne erwartet wurde), der Job oder den Sieg, den jemand nicht bekommen hat, eine Anerkennung, die ausbleibt oder die Erwartungshaltung an andere Menschen, die diese nicht erfüllen wollen oder können.
Nicht erfüllte Erwartungshaltungen führen fast zwangsläufig zu Enttäuschungen.
Gerade im zwischenmenschlichen Bereich sind (nicht erfüllte) Erwartungshaltungen ein häufiger Grund für Streit und Krisen. Doch nicht nur bei demjenigen, dessen Erwartungshaltungen enttäuscht wurden, führt es zu Frust. Oft auch bei demjenigen, an den die Erwartungshaltungen gestellt werden, von dem vielleicht Dinge oder Handlungen erwartet werden, die er nicht leisten kann oder will. Wenn dann noch Schuldgefühle hinzukommen, dann wird es besonders kritisch. Gerade bei Menschen mit einem mangelnden Selbstwertgefühl, führen Erwartungshaltungen anderer, die sie nicht erfüllen konnten oder (versehentlich) nicht erfüllt haben oft zu einer Verstärkung des Gefühls, nicht gut genug zu sein.

Sind Erwartungshaltungen somit immer negativ?
Nein, das sind sie keineswegs!
Erwartungshaltungen sind nicht zwangsläufig stets etwas Negatives. Im Business, bei Prüfungen, bei Wettkämpfen und immer dann, wenn es auf Leistung ankommt, sind bestimmte Erwartungshaltungen angebracht und wichtig. Ohne Erwartungshaltungen könnte es manches Mal schwierig mit der Leistung werden. Doch wie immer, macht auch hier die Dosis das Gift. Zu hohe Erwartungshaltungen an sich selbst oder an andere können auch hier für Frust und Demotivation sorgen.
Es ist vor allem der zwischenmenschliche Bereich, in dem Erwartungshaltungen oft unglücklich machen.

Reflexions-Aufgabe zum Thema Erwartungshaltungen:
Beobachten Sie sich ein paar Tage einmal selbst und notieren Sie sich, wie oft Sie Erwartungen an andere haben oder wie häufig Erwartungen an Sie gestellt werden. Sind die jeweiligen Erwartungen erfüllbar? Und wie oft führen sie zur Enttäuschung? Weiß die andere Person überhaupt, welche Erwartungshaltungen Sie haben? Welche gegensätzlichen Erwartungshaltungen gibt es vielleicht sogar?

Manchmal weiß eine andere Person überhaupt nichts davon, dass eine gewisse Erwartung an sie gestellt wird. Oft höre ich als Mentorin oder im Coaching dann so Sätze wie: „Das muss die andere Person doch wissen“ oder „Ist doch total normal, dass dieses oder jenes erwartet wird!“ Hinterfragen Sie in solchen Momenten, ob das wirklich so ist! Woher sollte diese Person das wissen? Jeder Mensch denkt und fühlt anders. Das, was für die eine Person total selbstverständlich ist, ist für eine andere vielleicht jenseits der eigenen Vorstellung.

Fangen Sie bei sich selbst an. Welche Erwartungshaltungen haben Sie an sich selbst? Können Sie diese überhaupt erfüllen? Auch bei der eigenen Person gilt: Nicht erfüllte oder erfüllbare Erwartungshaltungen an die eigene Person sorgen für Frust und können ein eventuell mangelndes Selbstwertgefühl noch verstärken. Bewusst werden über die eigenen Erwartungshaltungen an sich selbst und an sein Umfeld sorgen für weniger Enttäuschungen und stärken auf Dauer das Selbstwertgefühl, da Schuldgefühle, schlechtes Gewissen und das Gefühl des Versagens minimiert werden.

Warum können Erwartungshaltungen schlecht für das Selbstwertgefühl sein?

Hierzu zwei Beispiele aus dem zwischenmenschlichen Bereich, die ein mangelndes Selbstwertgefühl ggf. noch verstärken können:

Beispiel 1:
Es wird vom Partner erwartet, dass er regelmäßig „Ich liebe Dich!“ sagt, weil die betroffene Person es für ihr Selbstwertgefühl braucht. Sie fühlt sich nur geliebt und wertvoll, wenn sie es regelmäßig von ihrem Partner hört. Der Partner denkt und fühlt anders. Für ihn ist das gesagte „Ich liebe Dich“ eventuell nicht von großer Bedeutung, da es für ihn selbstverständlich ist, dass die Liebe einfach da ist. Doch gerade dieses nicht gesagte „Ich liebe Dich“ und die damit enttäuschte Erwartungshaltung führt zu Frust und evtl. zur Bestätigung „Ich bin nicht wertvoll und werde nicht wirklich geliebt“.

Beispiel 2:
Die Assistentin vom Chef hat von jeher das Thema, dass sie sich nicht gut genug fühlt. Schon in der Schule war sie immer nur Mittelmaß. Sie hat gefühlt nie eine richtige Anerkennung bekommen (Achtung: aus Coaching-Sicht würde ich bei einer solchen Aussage einen Realitätscheck durchführen: „Wirklich nie?“ und „Gibt es Ausnahmen?“). Bei Ihrem Chef erlebt sie dieses Gefühl immer und immer wieder. So sehr sie sich auch bemüht, das erwartete Lob bleibt aus und verstärkt damit das alte Gefühl, nicht gut genug zu sein. Ein gesundes Selbstwertgefühl von innen heraus fehlt. Was sie nicht beachtet: Der Chef ist sich dessen gar nicht bewusst, dass die Mitarbeiterin das Lob braucht, um Höchstleistungen zu bringen und dauerhaft motiviert zu sein. Er selbst hat kein Bedürfnis nach Lob und kann sich somit auch nicht vorstellen, dass jemand anderes es so sehr braucht. Sein Motto: Nicht kritisiert ist doch Lob genug! Auch in diesem Beispiel für eine nicht erfüllte Erwartungshaltung (nämlich die Erwartungshaltung der Assistentin auf ein Lob) zu Frust und Enttäuschung, da das Lob ausbleibt. Eventuell wundert sich der Chef jedoch über die häufiger vorkommende „schlechte Laune“ seiner Mitarbeiterin und wunders sich darüber (denn er weiß ja nichts von ihrer Erwartungshaltung).
Wie immer im Leben gilt auch hier: Kommunikation hilft!

Überprüfen Sie regelmäßig ihre Erwartungshaltungen an andere

Können diese die Erwartungshaltungen erfüllen? Sind sie sich dieser überhaupt bewusst?
Gleichzeitig werden Sie sich bitte auch bewusst darüber, inwiefern andere Erwartungshaltungen an Sie haben und ob Sie diese erfüllen wollen oder können.

Denken Sie stets dran:
Wer erwartet, der wartet!